Wer heute im Handel erfolgreich sein will, braucht digitales Know-how und Leute, die eine ambitionierte Digital-Strategie umsetzen können. Inhouse sind diese aber kaum zu finden und auch am Arbeitsmarkt sind sie Mangelware. Was also tun, wenn Warten keine Option ist? Statt langwierig eigene Teams aufzubauen, geeignete Ideen zu entwickeln oder das Business ganz auszulagern, ist der Kauf von Digital-Agenturen oder Start-ups eine interessante Option.

Es gibt eine ganze Reihe von Händlern, die durch den Einkauf von Digital-Expertise zum wichtigen Player im E-Commerce geworden sind: Das bekannteste Beispiel aus Deutschland ist Otto mit AboutYou. Der Onlineshop ging erst 2014 online und gehört heute zu den fünf umsatzstärksten Onlineshops für Mode. Er entstand aus der Zusammenlegung mehrerer Digital-Agenturen, nachdem die Otto Gruppe diese gekauft hatte. Auch Zalando konnte sein Wissen durch Übernahmen ausbauen – z.B. mit dem Plattformspezialist Tradebyte. Wie sieht es bei den Sportunternehmen aus?

Internationale Sportbrands kaufen digitales Know-how ein

Wer den Sportmarkt nach interessanten IT-Übernahmen absucht, stößt zunächst mal auf die Big Player: Adidas, Under Armour und Nike. Nike holte sich erst im Sommer neue Digitalkompetenz ins Haus mit der Übernahme des IT-Unternehmens Celect. Die 2013 gegründete Firma hat sich auf vorausschauende Datenanalyse für die Einzelhandelsbranche spezialisiert. Im Jahr zuvor hatte sich Nike bereits die New Yorker Digital-Agentur Zodiac und das IT-Startup Invertex aus Israel einverleibt. Under Armour und Adidas erhielten mit dem Kauf von Fitness Apps gleichzeitig IT-Knowhow und ein fertiges Produkt. 2019 investierte Adidas eine Million Euro in ein Start-up Inkubator Programm um neue Geschäftsideen für die Sportindustrie zu entwickeln. Auch beim Verkauf von SportScheck an GKK dürfte die Digitalkompetenz der Münchner eine wichtige Rolle gespielt haben.

Auch der Mittelstand zieht nach

Doch es gibt auch Mittelständler, die lieber einkaufen gehen statt Agenturen zu beauftragen. Rose Bikes aus Bocholt übernahm 2019 die preisgekrönte Essener Agentur Kommerz. Zu den 450 Mitarbeitern des traditionsreichen Versand- und Onlinehändlers mit drei stationären Geschäften kamen noch 27 Kreative hinzu, die sich voll und ganz auf Digitalisierung und E-Commerce fokussieren konnten. „Entweder suchst du 27 Leute, die zu einem Team werden müssen, oder du kaufst ein Team“, erklärt Marcus Diekmann, CCO und CDO von Rose Bikes. „Obwohl wir gerade sehr erfolgreich sind und einen guten Vorsprung haben, ist klar, dass sich der Handel immer schneller wandelt, deshalb müssen auch wir an Geschwindigkeit zulegen – und das bezogen auf unsere Evolutionsstufen, unsere Arbeitsweise und unsere Ressourcen. Aus dem Grund haben wir uns zur Verschmelzung mit Kommerz entschieden.“

Unternehmensanteile als Anreiz

Diekmann gehört selbst zur Rose Geschäftsführung und hat vorher mehrere Digitalisierungsprozesse in Unternehmen geleitet und Agenturen geführt. Seine ersten Maßnahmen bei Rose: „Als Erstes haben wir gemeinsam die typischen Drei-Jahrespläne über Bord geworfen“, so Diekmann. „Das sind viel zu lange Zeiträume.“  Stattdessen hat er mit dem Team eine sehr klare Marschroute entwickelt, die festlegt, wo Rose Ende 2020 stehen soll – in den Bereichen Brand, Produkt, Preis, Reichweite, Service, Features, Organisation, Technik und Prozesse.

Transformationsbereitschaft ist sein Dauerziel. Bei der Transaktion floss kein Geld, es wurden nur Anteile vergeben. So will Rose Unternehmergeist und Kreativität im Kommerz Management lebendig halten. Das war auch der Grund für die jüngste Gründung eines Joint Ventures in der Schweiz, das seit Dezember den schweizerischen Markt aufbauen soll. „Ich habe schon oft gesehen, wie kleine, agile Unternehmen in neue Firmen integriert wurden: Man zahlt den Inhabern Geld und nimmt ihnen die Motivation, man tötet das Unternehmertum“, so Diekmann. In Bezug auf das Wachstum scheint die Strategie aufzugehen: Für das Jahr 2018/2019 meldet Rose ein Umsatzwachstum von 20 Prozent auf 102 Millionen Euro, 2020 sollen es 125 Millionen Euro werden.

Weiterführende Links:

Kommentar: Gute Zeiten für den Verkauf von Digital-Agenturen

Blick auf andere Branchen: VW übernimmt  Digitalagentur Diconium komplett

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