Als Mutter von drei Teenagern weiß ich, dass die Generation Z eine ganz andere Art an Selbstbewusstsein an den Tag legt, als wir das in jungen Jahren je getan haben. Sie fordern Respekt und Gleichbehandlung, die mir einerseits als Elternteil manchmal zu viel des Guten wird und die ich andererseits insgeheim bewundere. Melanie Mohr, Gründerin von Yeay, zeigte auf dem E-Channels Day Anfang Mai in München eine weitere Dimension der Generation Z auf: Eine Geschäftstüchtigkeit, die mich persönlich nachdenklich stimmt.

Marketing-Welt aus Sicht der Teenager

Charles Bahr, 16 Jahre alt, Schüler und vermutlich Deutschlands jüngster Agenturchef, verwirklichte seine Geschäftsidee: Er erzählt Unternehmen, auf welchen Plattformen er und seine Freunde unterwegs sind, wie sie diese nutzen, was sie gut finden, was schlecht. Und rennt damit offene Türen ein. In seiner Influencer-Marketing-Agentur beschäftigt der Shootingstar der Werbewelt mittlerweile 15 Gleichaltrige. Er ist Speaker auf internationalen Marketing-Konferenzen, große DAX-Unternehmen holen den Jungunternehmer als Berater für Produktstrategien an Bord.

Der Erfolg von Charles ist die Folge der Veränderung durch den Medienkonsum und der Beweis dafür, dass die alte Marketing-Welt nicht mehr funktioniert. Die Generation Z, also alle ab Mitte der 90er-Jahre geborenen Kinder und Jugendlichen, werden sicher keine Produkte konsumieren, bloß weil Markenhersteller sie ihnen als cool und hipp verkaufen wollen. Keiner weiß das besser als Melanie Mohr, Gründerin und CEO der Teenager-Plattform Yeay. Auch sie holte Rat von Charles, er ist Mitglied eines zehnköpfigen Advisory Boards aus Teenagern, das weltweit für das Start-Up Yeay beratend tätig ist.

Testing mit Generation Z

Yeay ist eine der ersten europäischen Plattformen, die ihr Augenmerk auf die Generation Z legt, weg von den Millenials. Die Shopping-App basiert auf einem Affiliate-Modell und verbindet drei entscheidende Funktionen für junge Leute – Branding, Broadcasting und Shopping. Yeay ist die erste globale Marktplatz-App, die Videos zum Verkauf von Produkten verwendet. Mit mittlerweile über 700.000 App-Installationen und über 30 Mitarbeitern gehört Yeay zu den am schnellsten wachsenden Start-ups in Berlin.

„Die Art und Weise wie wir heute mit Technologie umgehen hat uns verändert. Kein anderer führt uns das so deutlich vor Augen wie die Generation Z, die heutigen Teenager“, so Mohr, selbst Mutter von drei Kindern, zwei davon im Teenager-Alter. Sie rät jedem Unternehmen, sich Teenager ins Haus zu holen und von der „Generation Snapchat“ Produkte und Services testen zu lassen. Auch jenen Unternehmen, die Teenager noch nicht zu ihrer relevanten Zielgruppe zählen. „Die Jugendlichen haben eine ganz andere Herangehensweise“, sagt Mohr. „Ihre User Experience, ihre Art und Denkweise unterscheidet sich komplett von den Erwachsenen. Man sollte ihnen zuhören, allein schon deshalb, weil sie die Kunden der Zukunft sind.“

Generation Goldfisch mit Sinn fürs Business

Die Dominanz von Mobile und Video bei dieser Generation ist eklatant. 79 Prozent der acht- bis 20-Jährigen entscheiden laut einer Untersuchung der Native-Advertising Experten Sharethrough binnen drei Sekunden, ob ein Video für sie interessant ist. Die Studienergebnisse belegen eine massive Abkehr von älteren Generationen. Eine Kluft in den Medienkonsumgewohnheiten, die wahrscheinlich mit der Zeit größer werden wird.

Mobile und Video
Die Dominanz von Mobile und Video bei der Generation Z ist eklatant.

Vor allem aber unterscheidet ihr Geschäftssinn die neue Generation von den Millenials: In einer Umfrage von Millenial Branding geben 72 Prozent der Teenager an, ihr eigenes Unternehmen gründen zu wollen. „Es gibt einen extremen Wertewandel“ so Mohr. „Die Jugendlichen wollen mitwirken, unternehmerisch gestalten und suchen Vertrauenswürdigkeit. Und sie wollen ihre Leistungen mit Aufmerksamkeit und Wertschätzung entlohnt wissen.“

Blockchain schafft eigenes Wertesystem

Was bedeutet aber nun Wertschätzung, wenn Jugendliche auf einer Plattform wie Yeay ihre Lieblingsmarke in einem selbstgedrehten Video inszenieren und in ihrer virtuellen Welt teilen? Melanie Mohr ist eine Verfechterin, die „Content Creators“ am Erfolg teilhaben zu lassen und die Teenager dafür zu honorieren. Derzeit belohnt Yeay das Engagement der Teenies für ihre Lieblingsmarken und –produkte mit einem Punktesystem – einer Art Loyaltyprogramm.

Vor fünf Monaten dann die große Erkenntnis, dass den Teenies das Punktesystem als Entlohnung für ihre kreativen Produktempfehlungen nicht mehr ausreicht. „We don’t want points, we want coins“, erfuhr Melanie Mohr im Gespräch mit ihren Nutzern. Sie will den Anforderungen ihrer Zielgruppe gerecht werden und treibt das Modell nun in die nächste Entwicklungsstufe. Blockchain-Technologie kommt ins Spiel. Die neue Infrastruktur des Internets, die auf Dezentralität basiert, und somit Verschiebungen von Werten – egal welcher Art – nachvollziehbar macht.

Blockchain-Apllikation für Generation Z
Yeay-Gründerin Melanie Mohr kündigt auf dem ECD 2018 den „Word-of-Mouth-Token“ auf Basis der Blockchain-Technologie an.

Das Yeay-Entwickler-Team arbeitet derzeit mit Hochdruck an einem „Word-of-Mouth-Token“ auf Basis der Blockchain-Technologie als Gegenwert für Mundpropaganda und Produktempfehlungen. Markteinführung ist in drei bis vier Monaten geplant. Melanie Mohr hat damit große Pläne und adressiert auf dem ECD das Fachpublikum mit über 500 E-Commerce Experten: „Mit dem Word-of-Mouth-Token implementieren wir ein neues Wertesystem. Ihr alle werdet auf diesem Blockchain-Modell aufsetzen können, um die Generation Z zu erreichen und für die Zukunft ein optimales Shoppingumfeld zu gestalten.“ Der Vorstoß von Yeay gibt eine Idee, wie eine Applikation der Blockchain-Technologie im Retail aussehen könnte.

Verloren in der virtuellen Welt?

Ob man es ethisch für gut befindet, eine Kommerzialisierungsapplikation ausgerechnet für Teenager zu entwickeln, sei dahin gestellt. Die Kids sind in die digitale Welt hineingeboren, Technologie ist für sie eine Selbstverständlichkeit, die sie nutzen. Social Media gehört heute zum Prozess des Erwachsenwerdens dazu, zur Selbstfindung, zu wissen, wer man ist – was auch gut ist. Die Gefahr jedoch, dass ein Be- und Entlohnungssystem für Marketingzwecke eine noch größere Sogwirkung mit sich bringt, und die Teenies ausschließlich in ihrer virtuellen Welt abtauchen lässt, besteht durchaus. Für eine starke Persönlichkeit wie Charles, der weiß was er will, stellt dies sicher kein Problem dar. Aber es gibt da draußen auch labile Persönlichkeiten unter den Jugendlichen, die sich nach Aufmerksamkeit und Anerkennung sehnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Teenager den Blick für die reale Welt verlieren, die ja doch existent ist – noch.