Was verstehen wir heute im digitalen Zeitalter unter unternehmerischer Wertschöpfung? Geht es wirklich nur noch um Gewinnmaximierung, Effizienz und Convenience? Um höher – schneller – weiter? Sind das wirklich die einzigen Werte, die wir durch Innovation und Technologie schaffen sollten? In unserer Masterclass auf der K5 2019 haben wir genau diese Fragen diskutiert. Und Denkanstöße aus der Fashionbranche erhalten, die zeigen, dass Nachhaltigkeitskonzepte nicht nur sehr vielfältig sein können sondern auch erheblich zur Wertschöpfung in unserer Gesellschaft beitragen.

Es war schon ein interessanter Anblick: Gefühlt ALLE weiblichen Teilnehmerinnen der gesamten K5 befanden sich in unserer Masterclass und sorgten für vollbesetzte Stuhlreihen – während in den fünf benachbarten Masterclasses die Männer die Hoheit hatten und über neue Wege im E-Commerce sprachen – allerdings aus einer gänzlich anderen Perspektive. Mit Mona Buckenmaier (RIANI), Julia Zirpel, (the wearness) sowie Vera Günther, (mimycri) sprachen wir über ihre persönlichen und unternehmerischen Erfahrungen zum Thema „nachhaltiger Wertschöpfung in der Fashionbranche“. Hier die Learnings und Denkanstöße für einen erweiterten Blick auf das Thema Wertschöpfung.

Nachhaltiger Umgang mit der Ressource Mensch

Mit einem geschätzten Wert von 55,6 Mrd. EUR ist die deutsche Textilwirtschaft die wertvollste in ganz Europa. Allerdings häufen sich in jüngster Zeit die Negativmeldungen: Alteingesessene Unternehmen wie Gerry Weber, Miller & Monroe oder Bree haben in den letzten Wochen Insolvenz anmelden müssen. Das deutsche Modelabel RIANI mit Sitz im schwäbischen Schorndorf ist wirtschaftlich gut aufgestellt. Einen wichtigen Erfolgsfaktor sieht Mona Buckenmaier, Senior Business Development Manager bei RIANI und Tochter des Gründerehepaares, in ihrem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Mensch: „Wir investieren viel in unsere Mitarbeiter. Schließlich ist Schorndorf per se kein Fashion Hot Spot. Doch unsere Mitarbeiter kommen und bleiben gerne, weil wir Work Life Balance groß schreiben und einen sehr familiären Umgang pflegen, der viel Lebensqualität bietet.“

Erst 2015 wurde das neue, 10.000 qm große Headquarter eingeweiht und bietet heute neben modernen Arbeits- und Büroräumen eine chillige Dachterrasse und Platz für ein umfangreiches kostenfreies Sportprogramm, einen Day Spa & Beauty-Bereich und eine liebevoll „Cosy Kitchen“ genannte Betriebsküche, in der u.a. die Mütter der Mitarbeiter dreimal die Woche ein abwechslungsreiches Mittagsmenü für die Belegschaft zaubern.

„Nachhaltigkeit leben wir nicht nur in Bezug auf unsere Mitarbeiter. Auch unsere Produktion ist in Europa. Die Fertigung der Prototypen erfolgt in Schorndorf, die Konfektionierung in Ungarn,“ erläutert Mona Buckenmaier. Für RIANI macht sich der nachhaltige Umgang mit der Ressource Mensch bezahlt: „Bei uns gibt es viele Frauen mit Familie in Führungspositionen und wir sind stolz darauf. Beruf und Familie zu vereinbaren, ist manchmal eine Herausforderung, aber es geht. Es ist eine Frage der Wertschätzung, dies möglich zu machen.“

Fashion ohne schlechtes Gewissen: Mode im Einklang mit Werten

Einen anderen Zugang zum Thema Nachhaltigkeit in der Fashionbranche zeigte Julia Zirpel. Sie kennt die Branche aus dem ff und war als ehemalige Moderedakteurin viele Jahre selbst Teil eines sich immer schneller drehenden Modezirkels. „Mir fiel immer häufiger auf, dass Mode heutzutage zum

Wegwerfartikel verkommt: Beiläufig gekauft, achtlos in den Kleiderschrank gehängt und schnell wieder entsorgt“, bringt es Julia Zirpel auf den Punkt. Das Nutzungsverhalten der westlichen Welt steht dabei in keinem Verhältnis zu den schweren Arbeitsbedingungen und Umweltbelastungen, die für die Herstellung der Textilien in Kauf genommen werden. Julia Zirpel will einen Gesinnungswandel in der Gesellschaft forcieren und gründete 2017 the wearness – einen Online-Marketplace für nachhaltige, faire und hochwertige Mode und Beautyartikel.

Damit verknüpft sie hochwertige Mode und tolles Design mit fairen Produktionsbedingungen und Umweltbewusstsein. „Ich glaube an eine unternehmerische Verantwortung, die nicht an den Grenzen von Deutschland oder der EU aufhört. Menschenrechte und Umwelt müssen überall und gleichermaßen geachtet werden – und zwar in der gesamten Produktionskette.“ Julia Zirpel kooperiert daher nur mit Marken, die den strengen Verhaltens-Kodex von the wearness teilen. Zwei Ziele möchte sie damit erreichen: Eine ethisch unangreifbare Mode anbieten und das Bewusstsein für den Wert von Mode schärfen bzw. wiederherstellen. Für Julia Zirpel ist das eine Win-Win-Situation: „Mode ist vor allem auch ein Gefühl. Achtlos gekaufte Mode kann niemals ein Gefühl von Wert auslösen. Und darum geht es ja, wenn wir uns modisch kleiden!“

You are what you wear

Ein noch viel kompromissloseres Unternehmen hat Vera Günther mit dem Fashionlabel „mimycri“ gegründet. Das Berliner Sozialunternehmen stellt aus bereits existierenden Materialien gemeinsam mit Geflüchteten Mode her, zum Teil aus kaputten Flüchtlingsbooten. Damit wird Mode für sie zur Botschaft und der Träger oder die Trägerin zur/m Botschafter/in für Geschichte, Politik und Werte.

„Die Bewegung „You are what you eat“ aus dem Bereich Health Food möchten wir gerne in die Fashionwelt übertragen“, erläutert Vera Günther und hat mit diesem Ansatz schon viele Preise gewonnen. „Innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln, ist aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, in Zukunft unternehmerisch erfolgreich zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der wir zu viel produzieren und konsumieren und dadurch nicht glücklich werden. Für die nachkommenden Generationen werden Werte immer wichtiger. Unternehmen sollten daher nicht nur Gewinnmaximierung im Fokus haben sondern Werte schaffen, die nicht ausschließlich finanzieller, sondern auch ökologischer und sozialer Natur sind. Diese Transformation sehe ich als große Chance und Möglichkeit.“

Impulse auf der K5, v.l.: Vera Günther, Julia Zirpel, Mona Buckenmaier mit Masterclass-Host und changelog-Autorin Vera Vaubel

Verwandte Themen auf changelog

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Fashion und Nachhaltigkeit

Weiterführende  Links

Das war die K5 2019

Analyse von Jochen Fuchs, t3n

Bericht von Esther Schwan auf onlinemarketing.de

Save the Date K5 2020: 26./27. Mai!