Carolin Desirée Töpfer ist Diplom-Politologin und Spezialistin für die digitale Transformation mittelständischer Unternehmen. Sie beschäftigt sich seit ihrer Teenager-Zeit mit Programmierung und Zukunftstechnologien, später dann auch mit Datenschutz und IT Sicherheit. Auf den B2B Marketing Days in Würzburg lerne ich sie persönlich kennen und merke schnell, wie sehr sie für ihre Sache brennt. Sie glaubt an die Sogwirkung von Digitalisierung und Technologie für junge Talente – Stichwörter New Work und Gamification. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft für Veränderung in Unternehmen. Im Interview schildert sie mir ihre Sicht der Diskrepanz zwischen Technologie und Weiterbildung.

Wie kam es dazu, dass du dich für IT begeisterst?

Das habe ich wohl meinem Umfeld und einem sehr engagierten Informatiklehrer am Gymnasium zu verdanken. Wir hatten dort ein MINT-Zentrum und ich habe etwa mit 14 Jahren mit Web Design und Programmieren angefangen. Man muss sich meine Begeisterung damals als Teenager wirklich so vorstellen: Nach der Schule zuhause die Rolläden runter und viel Zeit vor dem Bildschirm! Abgesehen davon habe ich mich aber auch als Schülersprecherin engagiert und wurde FDP-Mitglied.

Was war denn dein größtes IT Projekt als Schülerin?

Ich habe eine Music-Community aufgebaut, eine Website, über die sich lokale Bands präsentieren, zusammenfinden und mit ihren Fans austauschen konnten. Das waren dann irgendwann 20 Bands, die zusammen viel einfacher Konzerte organisieren konnten. Später gab es auch Festivals und wir hatten ein Street-Team, das auf der Straße Flyer verteilt hat. Das Ding ist sukzessiv gewachsen, obwohl wir damals nur ein Gästebuch integrieren und MySpace nutzen konnte, da es die großen Social Media Plattformen so noch nicht gab. Das war eine spannende Zeit.

 

„Die Einsicht für lebenslanges Lernen wird hierzulande noch viel zu wenig propagiert und gelebt.“

 

Und wie ging es dann weiter?

Eigentlich wollte ich Wirtschaftsjournalistin werden. Der beste Rat, den ich dann während eines Praktikums beim Handelsblatt Verlag bekommen habe, war, das zu studieren, was mich wirklich interessiert. Ich entschied mich für Politikwissenschaften mit VWL als Schwerpunkt und betrieb meine Technologiethemen eher nebenher als Hobby.

Wie wurde das Hobby dann doch zum Beruf?

Als ich ins Berufsleben einstieg und die ersten Erfahrungen in Unternehmen sammelte, u.a. in der Finanzbranche, musste ich feststellen, dass meine Technologie zuhause mehr state-of-the-art war als die in den Unternehmen.  Und da meine Kollegen schnell merkten, dass ich mich mit Datenbanken auskannte, sah ich mich plötzlich in der Rolle derjenigen, die die bestehende Technologie analysieren sollte, Datenprojekte übernommen hat und Briefings über Server-Latenzen erstellte.

So kam es dann auch zur deiner Gründungsidee?

Ja. Digitalisierung bedeutet eine grundlegende Veränderung – auf allen Ebenen einer Organisation. Das fällt vielen Mitarbeitern und Führungskräften so ganz ohne technische Kenntnisse besonders schwer. Ich bin in den Unternehmen, in denen ich gearbeitet habe, selbst immer wieder an Grenzen gestoßen, wenn es um digitale Zusammenarbeit und einfache Datenlösungen ging. Das war eine bittere Erfahrung. Ich hatte oft den Eindruck, wenn man als interner Mitarbeiter Probleme lösen will, läuft man gegen Betonwände. Gleichzeitig habe ich mir dann gedacht, dass bei diesen Themen ein externer Helfer die Unternehmen enorm weiterbringen würde. Genau das mache ich heute: Tech Coachings für Führungskräfte, Team Workshops und Vorträge über die verschiedenen Aspekte der Digitalen Transformation.

Inwiefern stehen sich Unternehmen selbst im Weg?

Ich empfinde es als persönlichen Vorteil, auch als Chefin ständig etwas Neues lernen und testen zu dürfen. Die Mentalität in vielen deutschen Unternehmen sieht aber ganz anders aus. Die Hierarchedenke hält an alten Strukturen fest und blockiert. Machtgefüge und Seilschaften spielen dabei eine große Rolle. Es geht oftmals darum, eine Position, in die man sich hochgearbeitet hat, zu halten. Viele Manager dürfen niemals zugeben, dass sie etwas nicht wissen. Auch meine Tech Coachings finden häufig virtuell statt oder so, dass es die Mitarbeiter meiner Klienten nicht mitbekommen.

Ist die Digitalisierung ein Generationenkonflikt?

Das habe ich am Anfang gedacht. Mittlerweile sehe ich es eher als Weiterbildungskonflikt. Ein solides Basiswissen zu digitalen Themen – und auch der Technik dahinter – gibt es in unserer Gesellschaft nicht, weil eine entsprechende Aus- und Weiterbildung nicht allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen gleichermaßen gewährt wird. Die Einsicht für lebenslanges Lernen und die entsprechende Verantwortung des Einzelnen und der Unternehmen, wird hierzulande noch viel zu wenig propagiert und gelebt. Das große Ganze wird oft nicht gesehen und die Zukunft hat derzeit noch einen zu niedrigen Stellenwert. Auch, weil viele aktuelle Führungskräfte die Zukunft nur noch als Rentner erleben werden.

Welche Learnings kannst du Berufseinsteigern geben?

Zum einen müssen sie sich von dem Gedanken verabschieden, viele Jahre in ein und demselben Unternehmen arbeiten zu können und dort einen quasi automatischen Karriereweg einzuschlagen. Zum anderen wäre mein Rat, den Real-Life-Check zu machen: Heuer nicht nur bei hippen Start-Ups oder erfolgreichen Konzernen an, sondern arbeite auch mal bei bodenständigen Mittelständlern. Am besten bei denen mit dem langweiligsten Produkt. Schau dir das Unternehmen von innen an und achte darauf, was nicht funktioniert. Und stell dir dann die Frage, mit welchem disruptiven Geschäftsmodell man den Laden umkrempeln könnte. So erzielst du die besten Learnings, die du in jeden anderen Job mitnehmen kannst.

 

„Händeringend gesuchte Fachkräfte können sich heutzutage ihre Arbeitgeber nach Wohlfühlkriterien aussuchen.“

 

Was müssen Unternehmen jungen Talenten heutzutage bieten um attraktive Arbeitgeber zu sein?

Ich bekomme immer wieder Gegenwind, wenn ich davon spreche, dass man von überall aus arbeiten können sollte und dass Arbeit Spaß machen darf. Für viele Führungskräfte geht das nicht zusammen. Die denken, ein Mitarbeiter ist nur produktiv, wenn man ihn sehen kann und Spaß ist etwas für die Freizeit. Absolute Fehlanzeige! Wer seinen Mitarbeitern keinen Spaß und Zugang zu neuen Technologien und digitalen Tools gönnt, bekommt also zunehmend Recruiting-Probleme. Dazu gehören auch Weiterbildungen mit Gamification-Ansatz. Alles was Spaß macht, muss auch im Büro stattfinden dürfen. Dafür muss Arbeit vielerorts anders gedacht und neu organisiert werden.

Wie wird man zum attraktiven Arbeitgeber? Welche Veränderungsprozesse muss man anstoßen?

Ich glaube, man sollte Bewerber und Mitarbeiter wertschätzen und unabhängig von der Art des Jobs, dem Alter und der Erfahrung des Arbeitnehmers mit ihm sprechen, also Feedback annehmen. Anhand der IT-Infrastruktur und dem Nutzerverhalten der Mitarbeiter kann ich zum Beispiel sehr schnell erkennen, ob ein Unternehmen heute schon digital affine Bewerber glücklich machen kann. Viele bleiben da leider hinter ihren eigenen Werbe-Versprechen zurück. Technisch attraktiv zu werden kostet Zeit und Geld. Aber wenn der Großteil der Belegschaft mitzieht, geht es schneller und kostet weniger.

Welche technologischen Veränderungen erwartest du in Zukunft?

Was die Zukunft angeht, finde ich vor allem den Hardware-Bereich interessant. Da gibt es noch viele Lücken im Angebot. Wenn man mit Technologiefans spricht, die z.B. bei Chip-Herstellern oder im Datencenter-Bereich arbeiten, weiß man relativ schnell, was in zehn bis 20 Jahren Alltag sein wird. Ich bin davon überzeugt, dass es in zehn Jahren keine Smartphones mehr geben wird, sondern wir Lösungen wie Google Glass wieder auf der Straße sehen und uns mit kleinen Geräten auseinandersetzen müssen, die sich in Echtzeit mit unserem Körper bzw. unserem Gehirn vernetzen möchten. Das Internet of Things mit all seinen Mini-Computern und Sensoren bietet enorm viele tolle Möglichkeiten.

Welche Ziele setzt du dir für deine berufliche Zukunft?

Im nächsten Jahr steht der Schritt in den US Markt an. Ich habe gelernt, dass man mit Zielen vorsichtig sein muss. Gerade in meinem Fachbereich dauert es am Ende doch immer länger, als ich es mir wünschen würde. Ich hatte übrigens keinen Plan dort zu landen, wo ich heute stehe, bin aber dankbar für die Erfahrungen – die aus meiner Zeit als Arbeitnehmer und besonders die letzten knapp drei Jahre als Gründerin. Dabei wollte ich eigentlich nicht gründen, bevor ich 30 bin. Das ist im nächsten Jahr der Fall. Ich entwickle gerne Ideen, lerne dazu, probiere Dinge aus und schaue, wohin sie mich führen. Meistens vermeide ich anschließend einfach, was für mich nicht funktioniert oder wovon mein Bauchgefühl mir abrät. Bisher bin ich damit ganz gut gefahren.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Weiterführende Links:

Carolins Blog Digitalisierung-jetzt.de zählt im deutschsprachigen Raum zu den renommiertesten, wenn es um die Digitalisierung von Mittelständlern geht.